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Jan Bretschneider
"Setzen-Vier!"
Wie Schülerleistungen ermittelt und bewertet werden können
Vor einigen Wochen las ich Christa Wolfs Buch "Ein Tag im Jahr". In ihren Notizen aus dem Jahr 1979 fand ich in der Nachbetrachtung einer Diskussion, die sich an eine ihrer Lesungen anschloss, eine für dieses Thema interessante Passage. Ein "schönes blondes Mädchen" äußerte dort: "Sie sei ja zum Glück nicht Lehrerin, aber sie habe schon als Schülerin gefühlt, wie verkehrt das ganze Unterrichtssystem sei - zum Beispiel schon in dem einen Punkt: Zensurengebung. - Herr St. räumt ein, daß die Lehrer darüber auch oft in Konflikt gerieten, daß aber die Schüler eine Bewertung ihrer Leistungen erwarteten und die Lehrer sich dazu zwingen müßten. - Das blonde Mädchen verlangt, die Lehrer sollten ihren Konflikt die Schüler spüren lassen. Sie habe aber oft den Eindruck gehabt: Das mache den Lehrern gerade Spaß, die Schüler durch Zensuren in Angst zu versetzen."(1)
Das Zitat weckt Erinnerungen an meine Oberschulzeit in den fünfziger Jahren. Klar hatten wir Angst vor "schlechten" Zensuren. Aber welche Zensur war denn "schlecht"? Darüber gab es recht unterschiedliche Auffassungen bei uns Schülern und natürlich auch bei Lehrern und Eltern. Jedoch wer oder was setzte den Maßstab? Ich erinnere mich an einige Falle von recht eigenartiger Zensierung. Einer meiner Mitschüler musste einen russischen Text vorlesen. Nachdem er geendet hatte, verkündete der Russischlehrer: "Setzen! Ist gut - 's ist 'ne Vier." Ja, was war es denn nun, gut - also Zwei - oder eine Vier? Zu fragen getraute sich keiner. Wir schauten nach der Stunde ins Klassenbuch - eine Vier stand darin.
Etwas ganz Besonderes hatte sich unser Physiklehrer ausgedacht. Bei ihm gab es drei Zensurensymbole, von denen man eines nach dem mehr oder weniger erfolgreichen Losen einer kleinen Aufgabe erhielt. Wurde die Aufgabe zu seiner Zufriedenheit gelost, bekam man ein Pluszeichen, war das Ergebnis mittelmäßig, bekam man einen Ring und bei schlechter oder ausbleibender Lösung ein Minuszeichen. Je zwei dieser Symbole fasste er gelegentlich zu einer Ziffernzensur zusammen: Zwei Plus ergaben die 1, ein Plus und ein Ring die 2, ein Plus und ein Minus oder zwei Ringe waren die 3, ein Ring und ein Minus die 4 und zwei Minus wurden zur 5 "zusammengezogen". Aber wir Schüler kannten nur diese Ergebnisse. Keiner von uns wusste oder erfuhr, wie der jeweilige Lehrer gerade zu dieser Zensur gekommen war.
Weshalb erzahle ich das so ausführlich? Diese Erlebnisse fielen mir wieder ein, als ich in den sechziger Jahren selbst Lehrer wurde und Schülerleistungen zu ermitteln und zu bewerten hatte. Nun spurte ich selbst die große Unsicherheit beim Zensieren. Verbindliche oder empfohlene Hinweise dazu gab es kaum, und die wenigen vorhandenen galten nur für Prüfungen. Aber meine Schülerinnen und Schüler forderten von mir "gerechte" Zensuren. Das bemerkte ich immer dann, wenn nach der Ruckgabe einer Kontrollarbeit Schüler zu mir kamen: "Also, das finden wir ungerecht, bei ihm haben Sie das so bewertet und bei mir anders!" Die Frage "Warum?" stand jedes Mal im Raum. Ich hatte es mir natürlich kraft meiner Lehrerautorität einfach machen können: "Darüber wird nicht diskutiert, ich habe das so bewertet und fertig!" Aber dann hatte ich mit dem Makel eines ungerechten Lehrers leben müssen. Und das wollte ich nicht, wenngleich die Auffassungen von Gerechtigkeit bei Schülern, Lehrern und Eltern so manches Mal auseinander gingen. Also bemühte ich mich, den Schülern das "Warum so und nicht anders" zu erklären. Manches Mal wurden meine Argumente akzeptiert, ein anderes Mal sah ich mich veranlasst, unter dem Eindruck der Schülerargumente meine Bewertung zu verändern. Dieses Verfahren hat wohl dazu beigetragen, meinen Ruf als gerechter Lehrer zu begründen und zu festigen.
Wer bis hierher meinen Gedanken gefolgt ist wird vielleicht annehmen, dass die Probleme des Ermittelns und Bewertens von Leistungen langst der Vergangenheit angehören. Aber weit gefehlt, sie sind vielmehr sehr aktuell geblieben. Ich höre noch heute meinen Kollegen Tierphysiologen an der Universität schimpfen, weil er in den neunziger Jahren mit den Zensureneintragen auf den Abiturzeugnissen der Studienbewerber nichts anfangen konnte. Und über die Bedeutung von "Noten" in einem Arbeitszeugnis gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten, obwohl darüber inzwischen ganze Bücher geschrieben wurden.(2) Sogar das Bundesarbeitsgericht musste für klare Definitionen von Verbalzensuren bemuht werden: Steht im Zeugnis, der Arbeitnehmer habe "stets zur vollen Zufriedenheit" gearbeitet, bedeutet das ein "Gut", "zur vollen Zufriedenheit" gearbeitet entspricht der Zensur "befriedigend", das einfache "zur Zufriedenheit" heißt "ausreichend". Bei meinem Ausscheiden aus dem Universitätsdienst 1998 war ich selbst mit dieser Situation konfrontiert, als ich meine Chefin um ein qualifiziertes Zeugnis bat. Wir haben gemeinsam lange über manche Verbalzensur und ihre Formulierung nachgedacht, um so weit wie möglich abzusichern, dass andere das Geschriebene nicht missinterpretierten.
Wir wollten nun, dass es die Lehrer besser machen. Mit "wir" meine ich meine Kolleginnen und Kollegen und mich aus den Fachdidaktiken der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die sich in den siebziger Jahren unter der Leitung von Joachim Günther zu einer Forschungsgemeinschaft "Leistungsermittlung und Leistungsbewertung" zusammenfanden. Wir wollten den Lehrern nichts aufoktroyieren, sondern erfolgreiche Erfahrungen vermitteln und Empfehlungen geben. Dazu erfolgten mannigfaltige Untersuchungen in der Schulpraxis. Ein umfangreiches theoretisches Gebäude entstand über Dissertationen und Diplomarbeiten. Ich war 1974 der zweite Promovent, der mit einer Arbeit zu Abschluss- und Reifeprüfungen aufwartete. Bis zur Verteidigung musste ich ein Dreivierteljahr ausharren. Die Verzögerung ging auf einen Gutachter zurück, der offensichtlich wenig Interesse daran hatte, dass die Ergebnisse meiner Arbeit möglichst schnell in die Praxis eingingen. Als es dann schließlich so weit war, lagen bereits so viele neue theoretische Beitrage zur Leistungsermittlung und -bewertung vor, dass ich in meinem Autorreferat bekennen musste: Meine Arbeit ist in manchen Teilen bereits überholt. Und ich war veranlasst Dinge zu sagen, die überhaupt nicht in meiner Arbeit standen. Trotz alldem nutzt sie mir heute noch, wenn ich meinen FachSchülerinnen - künftigen Physiotherapeutinnen - einige Tipps zum effektiven Lernen und zur Prüfungsvorbereitung gebe.
Damit es nun die Lehrer tatsächlich besser machen konnten, mussten sie unsere Forschungsergebnisse kennen lernen. Neben der Aufgabentheorie gab es eine Theorie der Leistungsermittlung und -bewertung, verbunden mit zahlreichen Empfehlungen für die Schulpraxis. Also versuchten wir, so viel als möglich zu publizieren. Aber hier stießen wir auf ernsthafte Hindernisse. Fachdidaktische Zeitschriften verschlossen sich weitgehend unseren Bemühungen. Es war unmöglich, im einzigen Schulbuchverlag der DDR, dem Verlag "Volk und Wissen", unsere Forschungsresultate beispielsweise in einem Buch zu veröffentlichen. Wir gewannen den Eindruck, dass man in den "Berliner Zentralen" die Forschungen in der "Provinz" nicht genügend ernst nahm. Aber wir hatten das Gluck, eine uns wohlwollende Redaktion der "Wissenschaftlichen Zeitschrift" der Universität Jena zu haben. Dort kam der größte Teil unserer Ergebnisse an die Öffentlichkeit. Jedoch hatte die Sache einen Haken: Die Zeitschrift war nicht in den allgemeinen Buchvertrieb einbezogen. Also vertrieben wir sie selbst in den vielen Veranstaltungen des Kurssystems der Lehrerweiterbildung - heute Lehrerfortbildung genannt. Besonders der "Leitfaden der Leistungsermittlung und Leistungsbewertung im Biologieunterricht" erfreute sich bei den Lehrern einer solchen Beliebtheit, dass ein Nachdruck erforderlich wurde(3).
Und wie ist die Situation heute? Inzwischen gibt es von den meisten Schulbuchverlagen zum Teil sehr gute Aufgabensammlungen für mehrere Unterrichtsfächer. Aber sie sind in der Regel nicht mit Hinweisen zum Ermitteln und Bewerten der geforderten Leistungen verbunden. Auch die fachdidaktische Literatur spart nach meiner Kenntnis das Thema weitgehend aus. Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht das Buch von Karl-Heinz Berck. Hier ist ein Abschnitt "Leistungsmessung" aufgenommen, der u. a. einige unserer Forschungsergebnisse enthält(4).
Wir haben demzufolge Nachholebedarf in der Bundesrepublik. Allerdings gibt es auch Einwände: Was ist da nachzuholen, der Schüler erbringt eine Leistung und für diese erhalt er eine "Note" aus der sechsstufigen Zensurenskala und fertig. Die so argumentieren - darunter auch manche Lehrer - stellen nicht die Frage, wie diese "Note" zustande kommt. Und das ist nicht so einfach wie es aussieht. Eine solche Einstellung zur Bewertung öffnet der Subjektivität Tur und Tor, der Basis für tatsachliche oder empfundene Ungerechtigkeit. Ziel sollte es jedoch sein, den Ermittlungs- und Bewertungsvorgang so weit wie möglich zu objektivieren, denn diese Objektivität bildet u. a. eine Grundlage für die so viel strapazierte Gerechtigkeit.
Am besten wirkt sicher das Beispiel. Ich zeige daran in groben Zügen, wie ich Schüler zu einer bestimmten Leistung veranlasse und diese dann ermittle und bewerte. Da ich Lehrer für Biologie bin, kommt das Beispiel aus diesem Fach.
Zuerst schaue ich in den Lehrplan. In dem für die 8. Klasse der Regelschulen und Gymnasien des Freistaates Thüringen - hier wohne ich - steht als ein Inhalt: "Bau und Funktion der Teile des Atmungssystems". Hieraus leite ich folgende Teilziele ab: Der Schüler kann die Organe und Teile des Atmungssystems in der Reihenfolge ihrer Anordnung nennen und an Repräsentationsformen zeigen. Der Schüler kennt die Funktionen der Teile des Atmungssystems. Der Schüler kann die Beziehungen zwischen Bau und Funktion von Teilen des Atmungssystems erläutern.
Nachdem diese Teilziele erreicht sind, d. h. die Schüler sich das zugehörige Wissen und die Fähigkeiten angeeignet haben, kann ich den Lernerfolg kontrollieren. Meine Aufgabe dazu lautet:
1. Nenne die Teile des Atmungssystems in der Reihenfolge, wie sie beim Einatmen von der Luft durchströmt werden!
2. Erläutere die Beziehungen, die zwischen Bau und Funktion der Lunge bestehen!
Für die Aufgabe gelten folgende Ermittlungsparameter: Vollständigkeit, Richtigkeit und Eindeutigkeit. Auf dieser Grundlage entwickle ich die Lösungselemente und ordne ihnen Punkte zu:
Zu 1.: Nasenhöhlen, Rachenraum, Kehlkopf, Luftrohre mit Bronchien, Lunge mit Lungenbläschen (je 1 Punkt = 5 Punkte),
Zu 2.: Vergrößerung der Oberfläche durch Lungenbläschen und Kapillaren (3 Punkte); Wand der Lungenbläschen und Kapillaren einschichtig, dadurch ausreichender Austausch von Atemgasen möglich (3 Punkte); außerdem:
Richtige Reihenfolge, keine falschen Elemente genannt, eindeutige Darstellung (je 1 Punkt = 3 Punkte).
In der Aufgabenlösung können also 14 Punkte erreicht werden. Sie sind der Sollwert. Erst nach diesen Vorüberlegungen lasse ich die Aufgabe von Schülern bearbeiten. Die Ergebnisse fallen verständlicherweise recht unterschiedlich aus. Da hat ein Schüler die Luftrohre vergessen; er erhalt einen Punkt weniger. Ein anderer verwechselte die Reihenfolge von Kehlkopf und Luftröhre, also wird der Punkt für richtige Reihenfolge nicht vergeben. Ein dritter nennt statt der Luftrohre die Speiserohre. Hier werden zwei Punkte weniger vergeben, nämlich der für die fehlende Luftrohre und der für "keine falschen Elemente genannt".
Als Ergebnis erreicht jeder Schüler einen durch Punkte ausgedruckten Istwert. Um die Istwerte vergleichbar zu machen, bilde ich sie auf einen einheitlichen Maßstab ab. Hierzu ist zunächst die Prozentskala geeignet. 14 Punkte entsprechen in unserem Beispiel 100 Prozent. Hat ein Schüler z. B. 12 Punkte bekommen, so entspricht das im Soll-Ist-Vergleich einem Erfüllungsgrad von 85,7 Prozent. Während ich mich bisher noch im Bereich der Leistungsermittlung befand, konnte ich den Erfüllungsgrad bereits als Leistungsbewertung betrachten, denn ich habe zur Abbildung aller Ergebnisse eine 100-stufige Skala, die Prozentskala (lat. pro centum - von hundert) verwendet. In der Bundesrepublik gebrauchen wir zur Bewertung jedoch keine 100-stufige, sondern eine 6-stufige Skala, eben die Zensurenskala. Also bilde ich entweder den Istwert oder den Erfüllungsgrad auf diese Zensurenskala ab. Dazu entwickle ich mir entweder selbst eine Abbildungsvorschrift oder ich verwende eine empfohlene, so wie ich sie z. B. bei Karl-Heinz Berck(5) finde: 0 bis 20 % = 6; 21 bis 40 % = 5; 41 bis 55 % - 4; 56 bis 70 % = 3; 71 bis 85 % = 2; 86 bis 100 % = 1.
So mancher wird nun denken: So viel Arbeit für eine einzige Zensur. Das stimmt natürlich im Grundsätzlichen. Wenn wir als Lehrer jedoch den bereits dargelegten Ansprüchen gerecht werden wollen, müssen wir diesen Aufwand betreiben. Aber wir sind damit noch nicht am Ende, denn nun erst kann ich die Kurzkontrolle an die Schüler zurückgeben und auswerten. Es versteht sich von selbst, dass ich die Schüler über mein Vorgehen beim Ermitteln und Bewerten ihrer Leistungen informiere. Ein Ziel dabei besteht darin, dass die erteilten Zensuren von den Schülern subjektiv angenommen werden; d.h. sie sollen pädagogisch wirksam sein. Wie unterschiedlich auch weitgehend objektiv vergebene Zensuren wirken, erfuhr ich bereits wahrend meiner Tätigkeit als Lehrer in den sechziger Jahren. Dazu ein Beispiel: Nachdem Georg gesehen hatte, dass unter seiner Arbeit eine "5" prangte (in der DDR gab es eine 5-stufige Zensurenskala), zerriss er voller Wut mit dem Ausruf "Ich mach überhaupt nichts mehr" sein Blatt und warf die Stucke in den Klassenraum. Nicht weit von ihm saß Brigitte geknickt vor ihrem Blatt mit einer "4" und ihre Tranen tropften auf das Papier. Den Wüterich zunächst ignorierend tröstete ich sie und sicherte ihr bald eine Gelegenheit zu, bei der sie sich eine bessere Zensur "verdienen" könne. Ich erlebte also viel Freude über gelungene Leistungen und eine entsprechende Zensur, aber auch ihre Ablehnung. Und ich erkannte, dass es gar nicht so einfach ist, die gewünschte pädagogische Wirksamkeit einer Zensur zu erzielen.
Damit waren wir nun bei der Zensur selbst. Was ist eine Zensur?
Sie stellt eine von mehreren Möglichkeiten zur Bewertung von Leistungen in Bildungseinrichtungen dar (lat. censura - Prüfung, Beurteilung). Ein weit verbreitetes Synonym für Zensur ist Note. Es wäre jedoch sinnvoll, dieses Wort weiterhin für Musik und Diplomatie zu reservieren, nicht zuletzt auch wegen seiner ursprünglichen Bedeutung (lat. nota - (Schrift)Zeichen, Merkmal). Man verwendet neben den Verbalzensuren überwiegend Ziffernzensuren. Keine Zensur steht für sich allein, sondern ist immer zusammenhangend mit der Skala zu betrachten, aus der sie stammt.
Diese Skala umfasst in Deutschland bekanntlich 6 Stufen, ausgedruckt durch die Ziffern 1 bis 6. Ihnen entsprechen die Verbalzensuren sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend, mangelhaft und ungenügend. Die Ziffern bilden in dieser Reihenfolge eine Schätzskala. Diese einfache Tatsache hat weitreichende Konsequenzen, deren sich oft weder Lehrer noch Schüler noch Eltern bewusst sind. Was ich wahrend meines gesamten Arbeitslebens an unsachgemäßem Umgang mit Zensuren erlebt habe geht - drastisch ausgedruckt - auf keine Kuhhaut.
Da wäre als erstes das traditionsreiche Berechnen von Durchschnittszensuren. Ich hatte an meiner Schule in den 60er Jahren einen Kollegen, der betrieb das bis zur Perfektion, obwohl oder vielleicht gerade weil er Mathematiker war. Zunächst ermittelte er den Durchschnitt jedes einzelnen Schülers bis auf zwei Stellen hinter dem Komma. Um daraus eine Gesamtzensur abzuleiten, wendete er die Rundungsregel an. Also ergab ein Durchschnitt von 2,4 eine 2, ein solcher von 2,5 jedoch eine 3. Damit nicht genug, summierte er die Durchschnitte aller Schüler einer Klasse und berechnete daraus den Klassendurchschnitt, der dann wiederum mit anderen Klassen verglichen wurde. Diese "Durchschnittsideologie" war allgemein üblich. Ich erinnere mich, dass unter jede Klassenarbeit ein Stempel anzubringen war, in den die Zensurenverteilung und der Durchschnitt - sinnigerweise symbolisiert durch das Zeichen Ø für Durchmesser - einzutragen waren. Natürlich habe ich auch mit Zensurendurchschnitten gearbeitet - damals wusste ich es nicht besser.
Genau so große Tradition hat das Erteilen von Zwischenzensuren, also 2+, 2-3, 3-. Diese Verfahrensweise stellt weiter nichts dar als die unzulässige Vergrößerung der Schatzstufenanzahl. Wie Lehrer daraus Durchschnitte berechneten, ist mir noch heute schleierhaft. Nun zu den Konsequenzen.
Auf Grund der Zugehörigkeit einer Ziffernzensur zur Schatzskala ist jede mathematische Manipulation mit Zensuren unzulässig, aber weit verbreitet - siehe oben. So gesehen erscheint das Berechnen von Durchschnittszensuren mathematisch unsinnig, weil es zu falschen Schlüssen fuhren kann. Zulässig ist dagegen das Ableiten einer Leistungstendenz aus einer Ziffernzensurenfolge; z. B. bedeutet 1,1,1, 2,1, 3, 2, 3 Verschlechterung, 4, 3,4, 2, 3, 3, 2 hingegen Verbesserung(6).
Es gibt in Bezug auf die Entstehung und den Gebrauch von Zensuren eine Reihe von Problemen, die ihre Wurzeln in der Vergangenheit haben, in der Gegenwart nicht gelost sind und deshalb in der Zukunft fortwirken. Dabei denke ich nicht an diejenigen Bundesbürger, welche die Zensuren generell abschaffen mochten. Wurde man den Radikalsten unter ihnen folgen, so käme das einem Verzicht auf jegliche präzise Leistungsbewertung gleich. Ich wähle drei von den Problemen aus.
Das erste Problem kleide ich in die Frage: Welche Zensurenskala ist bzw. war besser, die 6-stufige der Bundesrepublik, an die sich alle Burger der neuen Bundesländer gewöhnen mussten, oder die 5-stufige, so wie sie in der DDR üblich war? Ich gestehe, dass sich diese Frage nicht mit einem einfachen Pro und Kontra für die eine oder andere beantworten lasst. Die Anzahl der Skalenstufen ist ja zunächst eine verbindliche, in Schulgesetzen geregelte, jedoch willkürliche Festlegung. Beispielsweise besuchten meine Eltern die Schule in den zwanziger Jahren im Ostsächsischen. Zu dieser Zeit gab es dort eine 9-stufige, aus Ziffern und Buchstaben kombinierte Zensurenskala: 1, 1b, 2a, 2, 2b, 3a, 3,3b, 4. Ich konnte die Beispiele fortsetzen. Aus diesen folgt, dass es die ideale Zensurenskala nicht gibt, denn eventuelle Vorteile sind meist mit Nachteilen verknüpft. So wird die Differenzierung in der Leistungsbewertung mit zunehmender Stufenzahl zwar genauer, aber die Skala verliert an Übersichtlichkeit und ist schwerer zu handhaben. Unsere 6-stufige Skala hat einen anderen Nachteil: ihr fehlt auf Grund ihrer Geradzahligkeit die Mitte. Weshalb sollte das nachteilig sein? Das hangt mit der Tradition zusammen, Schüler in gute, mittelmäßige und schlecht(er)e einzuteilen. Ihnen werden dann Zensuren zugeordnet, die sie am häufigsten bekommen. Ich erlebte das in den Schulen der DDR so: Gute Schüler bekamen Einsen und Zweien, mittelmäßige hatten überwiegend Dreien; die Vieren und Fünfen waren für die schlechten Schüler charakteristisch. Erreichte dann ein "schlechter" Schüler mal eine Eins, so konnte er eventuell statt eines Lobes die sarkastische Bemerkung hören: Sieh einer an, der Meier hat eine Eins! Hatte ich von dir gar nicht erwartet! Dass damit die pädagogisch wirksame Bewertung auf der Strecke blieb, brauche ich wohl nicht naher erläutern. Aber zurück zur 6-stufigen Skala. Die Mitte wäre zwischen 3 und 4, ist aber durch keine Skalenstufe vertreten. Also gibt es in der Bundesrepublik keine "mittelmäßigen" Schüler mehr? Mitnichten, auch hier folgt man der Tradition, und das Mittelmaß wird denjenigen Schülern zugeordnet, die Dreien und Vieren erhalten. Und keiner möge glauben, dass die Zeit der oben erwähnten sarkastischen Bemerkungen vorbei sei!
Die subjektive Seite der Bewertung mit Ziffernzensuren erscheint noch deutlicher unter dem Eindruck, wie Schüler die persönliche Zensierung erleben. Hier zeigen sich - so meine Erfahrung - sehr große Unterschiede in der Auffassung, was eine gute und eine schlechte Zensur ist. Der ehrgeizige Max ärgerte sich maßlos, als er in der letzten Leistungskontrolle statt der erhofften Eins "nur" eine Zwei bekam. Für ihn war in dieser Situation die Zwei bereits eine schlechte Zensur. Ina hingegen freute sich über ihre Vier. Es war die erste im Halbjahr, nachdem sie bisher immer nur Fünfen und Sechsen erhielt. Bei ihr begannen die schlechten Zensuren erst bei der Fünf. Aber es gab auch Bedenkliches. Ich erlebte auch Gleichgültigkeit gegenüber Zensuren. Die Gleichgültigen, fast ausschließlich Jungen, nahmen mit unbewegter Miene jede Zensur entgegen, wie sie auch immer ausfiel. Sie steckten das Blatt mit der Kontrollarbeit achtlos in ihre Schultasche, ohne nochmals einen Blick darauf zu werfen. Ich hielt es schon damals für sehr schlimm, wenn Schüler für Lob und Kritik - und jede Zensur ist damit verbunden - nicht mehr empfangsbereit sind.
Auch meine 17- bis 30-jahrigen Fachschülerinnen haben recht unterschiedliche Meinungen darüber, was gute und schlechte Zensuren sind. So wurde ich gefragt: Warum habe ich für meine Leistung nur eine Zwei und keine Eins bekommen? Über meine Antwort war die Fragende erstaunt, denn ich erklärte ihr, dass die Zensur 1 nur für eine Leistung vergeben wird, die - so das Schulgesetz - den Anforderungen in besonderem Maße entspricht. Bei einer anderen Fachschülerin hatte es nur zu einer Vier gereicht. Sie fragte mich: Kann ich bald diese schlechte Zensur ausgleichen? Ich musste ihr klar machen, dass diese Vier keine generell schlechte Zensur sei, denn sie bedeutet "ausreichend". D. h. mit ihrer Leistung wurde sie den Anforderungen im Wesentlichen gerecht. Immer wieder musste ich feststellen, dass die Fachschülerinnen eine solche Interpretation einer Ziffernzensur als Worturteil nicht kennen, geschweige denn an den allgemeinbildenden Schulen daran gewohnt wurden. Sie wissen auch wenig oder gar nichts darüber, wie eine Zensur eigentlich zustande kommt. Aber damit kommen wir zum nächsten Problem.
Bei diesem zweiten Problem wähle ich ebenfalls eine Frage als Ausgangspunkt: Weshalb wird in Deutschland um Zensuren eine solche Geheimniskrämerei veranstaltet -gestutzt durch Gesetze und Verordnungen; haben Lehrerinnen und Lehrer hier etwas zu verbergen?
Ich musste mich, als ich in den neunziger Jahren mit meinen Lehrerstudenten verschiedene Schulen besuchte, um dort den Biologieunterricht zu erleben und mitzugestalten, erst an völlig neue Situationen gewöhnen. Nach einer mündlichen Leistungskontrolle schrieb die Lehrerin etwas in ihren GEW-Kalender, ohne auf die eben vollbrachte Leistung in irgendeiner Weise einzugehen. Auf meine Frage nach dem Unterricht bekam ich von ihr zur Antwort: Wir dürfen die Zensuren (sie sagte "Noten") nicht mehr ansagen, wer sie erfahren will, kann nach der Stunde kommen und danach fragen. Ein anderes Mal wurde eine Kontrollarbeit zurückgegeben. Außer einigen allgemeinen auswertenden Sätzen erfuhren die Schüler weder Zensuren ihrer Klassenkameraden noch Details aus den Leistungen einzelner Schüler.
Als ich im Jahr 2000 das erste Mal nach einem Unterrichtszyklus bei meinen Fachschülerinnen Zensuren ins Klassenbuch eintragen wollte, suchte ich darin vergeblich nach einer Rubrik dafür. Auf Befragen der Institutsleitung erklärte man mir, dafür gäbe es besondere Zensurenhefte für jede Klasse, die unter Verschluss seien.
Dieser Umgang mit Zensuren war mir völlig fremd, weil ich ihn aus meiner Arbeit an Schulen und Universität ganz anders kannte.
Wenn ich eine mündliche Schülerleistung bewertete, so erfuhr der kontrollierte Schüler nicht nur seine Zensur vor der gesamten Klasse, sondern erhielt in der Regel auch Informationen darüber, was er gut gemacht hatte und was ihm nicht so gelungen war. Manchmal wurde auch ein Schüler aufgefordert, seine soeben vollbrachte Leistung selbst einzuschätzen. Das setzte selbstverständlich voraus, dass den Schülern die grundsätzlichen Ermittlungsparameter bekannt waren.
Gab ich schriftliche Arbeiten zurück, so wurde die Zensur jedes Schülers ebenfalls vor der Klasse bekannt gegeben und vom Klassenbuchführer, also einem Schüler, ins Klassenbuch eingetragen. Es ist mir wahrend meiner gesamten Tätigkeit als Biologielehrer an meiner Schule nicht ein einziger Fall bekannt geworden, dass dieses Vertrauen für einen Betrug ausgenutzt worden wäre. Ich habe aber mehr als einmal erlebt, dass nach einer gelungenen Leistung sich nicht nur der betreffende Schüler gefreut hat, sondern die Klasse durch Zustimmung und sogar Beifall ihrer Freude Ausdruck verlieh. Das subjektive Annehmen der Zensuren unterstützte ich dadurch, dass ich die Schüler über den Sollwert, dessen Bepunktung und die verwendete Abbildungsvorschrift auf die Zensurenskala informierte.
An meiner Schule hatten wir in den sechziger Jahren noch eine andere Art, mit Schülern über Zensuren zu sprechen. In einer Klassenleiterstunde - eine solche gab es jede Woche! - wurde in größeren Abstanden mit der gesamten Klasse Bilanz gezogen. Jeder Schüler konnte erfahren, wie er in einzelnen Fächern "stand", wo Verbesserungen nötig waren, bei wem die Versetzung fraglich war. Jeder Schüler durfte zu seinen Zensuren, die er ja kannte, Fragen stellen. Diese Stunden waren für die Schüler eindruckvoll, manchmal direkt spannend; das konnte man an ihren Gesichtern und der tadellosen Disziplin erkennen.
Ich erinnere mich auch noch an eine Situation aus meiner Oberschulzeit. Wir waren stets über alle Zensuren informiert, die wir bekamen. Jeder, den es interessierte, konnte beim Klassenbuchführer seine eigenen Zensuren und die seiner Mitschüler einsehen. Die eigenen konnten ins Hausaufgabenheft übertragen werden, in dem dafür Seiten vorgesehen waren. Auf diesem Wege kamen diese Informationen auch zu den Eltern. Und manch einer prahlte gar mit seinen Zensuren, so ungefähr in dem Sinne: Ätsch, ich habe mehr Einsen als du!
Für mich ist unbegreiflich, weshalb man jetzt auf diese Art des Umgehens mit Zensuren verzichtet. Eine Geheimnistuerei loste größtenteils die Offenheit ab. Die Folge davon ist, dass einige Funktionen, welche die Zensur im Erziehungsprozess hat, nicht zum Tragen kommen. Und das hat mit einer Verbindung zur Lebenspraxis wenig zu tun. Was soll der Lehrer von der Maßgabe halten, es dem Schüler schonend beizubringen, wenn dieser eine "schlechte" Zensur bekommen hat? Weshalb schonend? Das praktische Leben schont keinen; es ist unerbittlich, und jeder muss sich auch seinen unangenehmen Seiten stellen. Wo, wenn nicht in der Familie und in der Schule, sollen Kinder und Jugendliche lernen, derartigen Herausforderungen zu begegnen und sie erfolgreich zu meistern? Und sollte das Verhalten nicht ebenfalls beim Vergeben von Zensuren berücksichtigt werden?
Damit bin ich beim dritten Problem angelangt. Ich leite es wieder mit einer Frage ein: In welcher Reihenfolge lasen in der DDR Schüler, Eltern, Lehrausbilder und Studiendirektoren vorwiegend Zeugnisse?
Meine Erfahrungen besagen: Der erste Blick fiel auf die "Kopfnoten". Erst danach wurden die Fachzensuren und die Beurteilung durchgesehen. Warum? Nicht nur, weil die Kopfnoten an der Spitze des Zensurenspiegels standen. Diese fünf Ziffernzensuren gaben vielmehr im groben Überblick kurz und präzise Auskunft über einige Persönlichkeitseigenschaften des Zeugnisinhabers. Aber was sind eigentlich Kopfnoten?.
Zunächst hat diese besondere Bewertung weder etwas mit den Köpfen der Schüler noch mit Noten zu tun; insofern ist das Wort irreführend. Es handelt sich dabei genau gesagt um eine Bewertung des Verhaltens der Schüler. Das Wort "Verhaltenszensuren" wäre also treffend, aber wie in so vielen Dingen ist auch hier die Tradition zählebig. Fünf Verhaltenskomponenten wurden auf jedem Schulzeugnis ab dem Schuljahr 1955/ 56 mit einer Ziffernzensur bewertet: Betragen, Ordnung, Fleiß, Mitarbeit und Gesamtverhalten. Dabei war die letztgenannte Zensur nicht das Ergebnis einer Durchschnittsberechnung aus den vier ersten
Wie kamen diese Zensuren an meiner Schule zustande? Der Klassenleiter und drei weitere Fachlehrer, welche die meisten Stunden in der Klasse unterrichteten, waren angehalten, in jedem Monat bei jedem Schüler die genannten Verhaltenskomponenten zu bewerten. Die Zensuren wurden ins Klassenbuch eingetragen. Es ist verständlich, dass diese Bewertungen je nach Beliebtheit des Faches, des Lehrers und auch des Schülers (bei den Lehrern) zum Teil manchmal erheblich differierten. Nun blieben diese Zensuren nicht bis zum Termin der Zeugnisausfertigung unbeachtet. Mit ihnen wurde vielmehr gearbeitet. In der schon erwähnten Klassenleiterstunde erhielten die Schüler von diesen Monatszensuren Kenntnis, auch welcher Lehrer wen wie bewertet hatte. Die Klassenleiter bekamen so die Möglichkeit, diese Zensuren mit den Schülern zu besprechen, Vorbildliches zu loben, Unbefriedigendes zu kritisieren und Hinweise auf Veränderungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten zu geben. Auf diese Weise konnte z. B. kein Schüler von unbefriedigenden Verhaltenszensuren auf dem Zeugnis überrascht werden.
Nun gab es in der alten Bundesrepublik keine Kopfnoten - ich bleibe mal bei diesem Wort -, also durfte es auch in der neuen keine geben. Sie wurden, ohne ihre Bedeutung zu prüfen, abgeschafft, als man den neuen Bundesländern das Schulsystem der alten Bundesrepublik überstülpte. Ich komme damit zusammenhängend auf eine wichtige Frage: Welche Funktionen haben überhaupt Zensuren? Sie sollen z. B. Rechenschaft geben vor Lehrern, Eltern, Mitschülern, Geschwistern und auch vor sich selbst. Sie können aufbauen, motivieren, anspornen, beflügeln, aber auch verärgern und deprimieren. Und manchmal machen sie auch ein bisschen Angst. Aber welches Leben verläuft schon ohne Höhen und Tiefen! Vergessen wir auch nicht die Berechtigungsfunktion von Zensuren: Sie eröffnen Zugänge zum Erlernen von Berufen und zu weiterführender Bildung. Schließlich dokumentieren sie erreichte Qualifikationen. Und diese Vielfältigkeit der Wirkung von Zensuren sollte im Bereich des Verhaltens ohne Bedeutung sein? Das ist kaum zu erklären. Ich höre natürlich sofort den Einwand: Für das Bewerten des Verhaltens haben wir ja die Beurteilung. Selbstverständlich haben wir diese, und es gilt der Grundsatz, die Kopfnoten und die Beurteilung als Einheit zu sehen. Aber auf einem Halbjahreszeugnis erscheint keine solche Beurteilung, also wäre hier eine Kurzinformation durch Kopfnoten besonders angezeigt. Es gibt mindestens drei Gründe, die für Kopfnoten sprechen. Zum einen sind in vielen Einschätzungen Verbalzensuren enthalten. Wenn ich lese "Sein Verhalten war insgesamt gut", so kann ich das auch mit der Kopfnote "2" ausdrücken. Zum zweiten wollen wir ja nicht nur das Wissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler ermitteln, sondern auch Erziehungsergebnisse. Damit zusammenhängend ist in Lehrplänen von der Entwicklung von Kompetenzen die Rede. Im Mittelpunkt steht die Lernkompetenz, welche durch Sach-, Sozial-, Selbst- und Methodenkompetenz bestimmt wird. Wie soll der Entwicklungsstand einer solchen Kompetenz eingeschätzt werden, wenn auf diesem Gebiet keine Bewertung stattfindet? Wer hindert wen daran, z. B. jede dieser Kompetenzen auf dem Zeugnis mit einer Ziffernzensur zu bewerten? Schließlich ist eine Einschätzung des Verhaltens fester Bestandteil jedes Arbeitszeugnisses, und es hat sich eingebürgert, bestimmte Formulierungen in Verbal- oder Ziffernzensuren als Lesart zu "übersetzen".
Es war für mich erfreulich zu erfahren, dass in einigen Bundesländern über das Erteilen von Kopfnoten "nachgedacht" wird. Aber man hätte das schon zu der Zeit tun sollen, als die Gelegenheit gegeben war, die Schulsysteme der beiden deutschen Staaten im wahren Sinne des Wortes zu vereinigen.
Ich versuche einen Ausblick. Es gibt viele Menschen, die durch Reformen am gesellschaftlichen System der Bundesrepublik etwas ändern wollen. Bei einer Reform unseres Schulsystems, die sehr Not tut, sollte auf alle Fälle die Leistungsermittlung und -bewertung einbezogen werden.
Ich wünsche mir, die Ermittlung und Bewertung so zu qualifizieren, dass Beurteilungen und Zensuren pädagogisch wirksam werden.
Ich wünsche mir, dass die Zensuren vom Schleier des Geheimnisvollen befreit werden, damit ihre vielfältigen Funktionen zum Tragen kommen können. Hierzu gehört auch, den Ermittlungs- und Bewertungsvorgang für Schüler und Eltern, ja für die gesamte Öffentlichkeit transparent zu machen. Das wäre auch dem Image von Lehrerinnen und Lehrern dienlich, denn laut einer Umfrage aus dem Jahre 2003 gelten sie quasi als unbestechlich.
Über manch andere theoretische und praktische Seite der Leistungsermittlung und -bewertung habe ich nichts geschrieben, z. B. über die Struktur und Gestaltung von Aufgaben, über Worturteile, die Gewichtung von Teilzielen und die Möglichkeit des Tilgens von Zensuren. Darüber liegen ebenfalls theoretische Aussagen und praktische Erfahrungen vor.
Ich wünsche mir, dass alle, die es wollen, diesen Erfahrungsschatz nutzen und weiter entwickeln, und dass sich dabei Lehrer, Schüler, Eltern und Schulpolitiker als Partner verstehen.
1 Wolf, Christa: Ein Tag im Jahr. - München: Luchterhand Literaturverlag, 2003 .- S 266
2 Vgl. z B. Farda, Dieter- Arbeitszeugnisse richtig deuten. - Rastatt: Verlagsunion Erich Pabel - Arthur Moewig KG, 1989
3 Leitfaden der Leistungsermittlung und Leistungsbewertung im Biologieunterricht - Wiss. Beitrage der F.-Schiller-Universität - Jena, 1985. - Außerdem liegen folgende thematische Hefte der "Wissenschaftlichen Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität" vor: Mathem.-Naturwiss. Reihe 21(1972)2, 25(1976)3, 26(1977)6, 33(1984)5, Gesellsch.- u. Sprachwiss. Reihe 23(1974)5 - Hinzu kommen "Leistungsermittlung und Leistungsbewertung im Biologieunterricht der sozialistischen Schule" - Wiss. Beitrage der F.-Schiller-Universität -Jena, 1980, und je eine Aufgabensammlung für den Biologieunterricht der Klassen 6 und 8
4 Berck, Karl-Heinz: Biologiedidaktik Grundlagen und Methoden 2 Auf! - Wiebelsheim Quelle & Meyer, 2001
5 Ebenda.
6 Lexikon freien Denkens / Hrsg. J Bretschneider, H .-G. Eschke - Neustadt/Rbge.: Lenz, 2000 - 2003 -Stichwort Zensur
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