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Wolfgang Hartmann

„Wenn ich wollte, könnte ich Sie an die Wand schießen!" - und eine Entschuldigung

10. Dezember 1990 - dritter Monat nach dem Anschluß der DDR an die BRD. Kurz nach dem Ende der „Tagesschau" klingelte es an unserer Wohnungstür. Wer mochte es sein? Dem Blick durch den Türspion boten sich zwei unbekannte Herren. Sie stellten sich als Kriminalhauptkommissare aus Düsseldorf vor. Höflich baten sie eingelassen zu werden, sie würden gern ihr Anliegen erläutern. Es gehe, so spekulierten sie auf meine Neugier, um ein gegen mich eröffnetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren.

Neugierig war ich tatsächlich, mit ganz anderen eigenen Gründen: Kurz vorher hatte ich der Presse entnommen, daß in Bonn einer meiner früheren „operativen Partner" festgenommen worden war. Er wurde beschuldigt, ein Spion des Auslandsnachrichtendienstes der DDR, der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), gewesen zu sein. Mein Partner, den ich Jahrzehnte früher während seines Studiums in Heidelberg kennengelernt hatte, war ein strikter Antikommunist. Er wäre nie für die HVA der DDR zu werben gewesen. Deshalb hatte ich unter „fremder Flagge"1 eine Beziehung zu ihm aufgebaut. Er ahnte nicht, daß ich zum Auslandsnachrichtendienst der DDR (HVA) gehörte. Vielmehr war er des Glaubens, ich gehöre zum Topmanagement eines der großen bundesdeutschen Unternehmerverbände. Wegen dieser Annahme wies er mich gelegentlich auf ihm wichtig erscheinende DDR-Publikationen hin, etwa über die Dritte-Welt-Politik der DDR in Nah- und Mittelost oder im Südlichen Afrika. Spionage für die DDR, gegen die BRD? Das konnte ihm keinesfalls vorgeworfen werden.

Dies geschah aber zunächst trotzdem: Die BRD-Spionageabwehr und die westdeutsche Staatsanwaltschaft folgerten ihren Vorwurf aus ziemlich spärlichen Rastermerkmalen zu seiner Person. Sie waren ihr durch einen nicht besonders informierten Verräter bekannt geworden. Nun versteiften sich die Ermittler vorerst darauf, die Erklärungen meines völlig überraschten Partners seien eine bloße Selbstschutzlegende. Sie verweigerten sich dem Gedanken, der DDR-Auslandsnachrichtendienst hätte glaubhaft über Jahrzehnte unter einer solchen Legende mit einem hohen Beamten qualifiziert arbeiten können.

Natürlich konnte es mir nicht gleichgültig sein, wenn mein Partner - auch wenn er kein Freund der DDR war - zu Unrecht eines Straftatbestandes beschuldigt wurde, dessen zwingende subjektive Tatbestandsmerkmale2 noch nicht einmal im Ansatz gegeben waren. Gerade weil wir mit der „Kriegslist" der fremden Flagge gearbeitet hatten, fühlte ich mich verpflichtet, einem Justizirrtum entgegen zu wirken. Seit der Pressemeldung über die Verhaftung sann ich über einen brauchbaren Weg, den unschuldigen früheren Partner bei den Ermittlungsbehörden entlasten zu können. Das Erscheinen der beiden Kriminalhauptkommissare öffnete eine direkte Möglichkeit.

Mit einem Ermittlungsverfahren gegen mich hatte ich gerechnet. Auch damit, alsbald - wenn man meine Zugehörigkeit zur HVA festgestellt haben würde - zu einer Vernehmung vorgeladen oder in Haft genommen zu werden. Hier soll nicht über die eigentlichen strafrechtlichen Verfahren und deren Ausgang3 berichtet werden, sondern über einige Gesprächserlebnisse. Ein Spezialfall von Wessi-Ossi-Begegnungen ...

Es war offensichtlich: Die Kriminalhauptkommissare sollten ermitteln, waren aber auf dem Terrain der gerade angeschlossenen DDR und gegenüber ihren „Zielpersonen" noch sehr unsicher. Es war ein erstes Vortasten und Probieren. Wie bei anderen HVA-Leuten auch: statt sofortiger Vorladung ein „informeller" Besuch in der Wohnung.

Mit einer Mischung von freundlichem Begehren zu „plaudern" und Einschüchterung. Eine Unterhaltung ist etwas anderes als eine Vernehmung. Beide Seiten haben ihr eigenes Kalkül. Die einen wollen vielleicht verführen, um Erkenntnisse zu gewinnen, die anderen denken naturgemäß an Verteidigung. Selbstverständlich durfte man gewiß sein, daß die Ermittler auch über eine Unterhaltung ein Gedächtnisprotokoll zu den Akten nehmen würden.

Mein Kalkül war zu sondieren, welche Vorstellungen die Ermittler über den Fall meines operativen Partners, über die Tätigkeit der HVA, auch über meine Rolle besaßen. Selbstverständlich hatte ich dazu mein juristisches Repertoire. Aber viel mehr kam es mir auf einen politischen Dialog an, auch auf die politischen Inhalte der DDR-Aufklärung. Denn ohne die ist eine angemessene Bewertung nicht denkbar.

Für meine Rolle im vorliegenden Fall hatten die Beamten sogar einen Beweis. Ein Foto zeigte mich in den 80er Jahren in Badehose am Strand der Mittelmeer-Insel Formentera. Man hatte es bei meinem Partner wahrend einer Hausdurchsuchung gefunden. Die Kommissare ahnten beim Fund und bei der Identifizierung des Mannes in Badehose gar nicht, daß die Existenz dieses Fotos ein wichtiges Indiz sein würde, den Spionagevorwurf zu entkräften. Denn gemeinhin wird Spionage streng konspirativ gehandhabt. Unmöglich also, bei einem illegalen Treff Fotos anzufertigen. Daß es doch geschah, hing damit zusammen, daß in den Augen des fotografierenden Partners eben eine ganz legale Beziehung vorlag. Aus gleichem Grund hatte ich dieses Fotografieren hinnehmen müssen. Es wurden übrigens noch einige andere Beweise dafür gefunden, daß unsere Begegnungen ohne jegliche geheimdienstliche Konspiration stattfanden.

Man versuchte nun, mich zu überreden, „alles Wissen" preiszugeben, welches ich zu diesem Fall und überhaupt zur HVA habe. In nettem Plauderton wurde mir und meiner Frau, die beim Gespräch anwesend war, eröffnet, welches Ungemach unserer Familie drohe, wenn ich mich verweigere. Es sei sozial „existenzbedrohend". Schier unerträglich würde es auch sein, in ein „verwanztes" Gefängnis einziehen zu müssen. Tatsächlich: „verwanzt"! Dabei waren in der BRD wohl kaum noch Haftanstalten mit solchem Ungeziefer vorhanden. Der diesbezüglich berüchtigt gewesene Kölner „Klingelpütz" z. B. war längst abgerissen und durch eine moderne Anstalt ersetzt. Diese und andere schreckensgeladene Vorstellungen verfehlten ihren Zweck - auch meine Frau war nicht einzuschüchtern. Eine nächste Variante war der Appell, mir doch meinen Partner unter solchen Umständen der Haft vorzustellen. Denn sei ich nicht dafür verantwortlich? Mein Gegenzug war die Erkundigung, ob es denn Beweismittel gegen den Betreffenden gäbe, die den Straftatbestand der Spionage für einen fremden Geheimdienst auch belegten. Ich erfuhr jetzt, was ich wissen wollte. Außer der deduktiven Schlußfolgerung aus vagen Angaben eines sachlich ahnungslosen Verräters gab es nichts. Mein früherer Partner sei, so hörte ich, über den Spionage-Vorwurf empört. Er habe doch einen Unternehmerverband der Bundesrepublik beraten.4 Das aber mochte man nicht glauben und sah es als eine bloße Legende zum Selbstschutz an.

Zwei Kriminalhauptkommissare, mit Spionagefallen befaßt, waren so unprofessionell, noch nicht einmal die nachrichtendienstliche Methode der „fremden Flagge" zu kennen! Sie konnte auch bei der CIA, dem BND u. a. Diensten studiert werden. Hilfsweise und hilflos verlautete, man könne doch einem DDR-Bürger nicht zutrauen, wie ein Mann aus der engen Umgebung Wolff von Amerongens glaubhaft aufzutreten. Da war sie, die Wessi-Arroganz. In die Plauderei mischten sich Elemente von Pokern. Ich hatte zwar mein Konzept, wollte damit aber erst überkommen, wenn ich mir ein zulängliches Bild hatte machen können.

Das Gespräch verlegte sich nun aufs Theoretische. Ich war ein wenig erstaunt, bei meinen - vorerst noch immer sehr höflichen - Gesprächspartnern so wenig Professionalität anzutreffen. Sie wollten die HVA aufklären, kannten aber noch nicht einmal, was früher oder mittlerweile offengelegt war oder was aus der eigenen bundesdeutschen nachrichtendienstlichen Praxis hätte geläufig sein müssen. Ein besonderes Interesse galt übrigens dem bösen Dämon Markus Wolf - lange Zeit Chef der HVA. Auf die Frage, ob sein Buch „Die Troika“ bekannt sei: Ahnungslosigkeit.5 Ich ließ mich hinreißen und meinte, wenn ein HVA-Mann so wenig Kenntnis von seinem Widerpart gehabt hätte, wäre er als nicht hinreichend qualifiziert entlassen worden.

Die Abend war fortgeschritten. Ungefähr hatte ich eine Vorstellung über das, was ich erfahren wollte. Mein Entschluß stand fest, mit einer Aussage in einer formellen Vernehmung beweiskräftig die Annahme zu widerlegen, ein DDR-Nachrichtendienstler wäre zu einer qualifizierten „fremden Flagge“ nicht imstande und damit meinen früheren Partner zu entlasten. Aber diesen Entschluß behielt ich noch für mich und schlug vor, unser informelles Gespräch am nächsten Tage fortzusetzen.

So geschah es, es wurde noch interessanter. Die Gesprächspartner waren unterschiedlichen Alters, der eine alter und zu einer Zeit Beamter geworden, als die Düsseldorfer Polizeibehörde noch von alten Nazis geführt worden war. Dem Jüngeren waren offenkundig gewisse Zweifel gekommen, ob er als Kriminaler hier richtig eingesetzt sei.6 Dennoch hatte er seine Klischees über die DDR und insbesondere über ihren „verordneten Antifaschismus“. Ihm scheine, so meinte er immerhin fragend und nicht behauptend, der Antifaschismus sei doch für die HVA nur ein ideologischer Vorwand. In der „ehemaligen DDR" wäre viel nachzuholen. „Endlich" - so zeigte sich die Wirkung gewisser Medien - „müßten in ihr die wichtigen antifaschistischen Filme gezeigt werden. Z. B. habe die DDR nichts über den Holocaust gezeigt. Ich entgegnete, in der Tat habe die DDR nicht die Hollywood-Serie „Der Holocaust“ gezeigt. Ich hatte sie vollständig gesehen und eher als eine seichte „Soap-Opera“ empfunden, was in der BRD als eine große filmische Offenbarung (!) über die von Deutschen vollzogene industrielle Menschenvernichtung „gefeiert“ wurde. Meine Frage an die Partner sei, ob sie folgende Filme kennen würden: „Die Mörder sind unter uns“, „Ehe im Schatten“, »Rat der Götter“, „Sterne", „Professor Mamlock“, „Genesung“, „Nackt unter Wölfen“, „Ich war neunzehn“, „Jakob der Lügner“, „Fünf Patronenhülsen“, „Gewissen in Aufruhr“? Ja, ein Film war bekannt: „Ehe im Schatten“. Das sei doch ein westdeutscher Film (!). Großes Staunen, daß alle diese nur beispielhaft genannten Filme DDR-Produktion zum Thema Antifaschismus und Antirassismus seien.

Auf meine Frage, ob die Gesprächspartner eine Vorstellung darüber besäßen, welche Rolle das Gründerpersonal der Geheimdienste in Ost- und Westdeutschland während der Nazizeit gespielt hatte: Ahnungslosigkeit. Mit namentlichen DDR-Beispielen zeigte ich, daß im Unterschied zur Bundesrepublik bei jedem einzelnen des Gründungspersonals der DDR-Dienste antifaschistische Aktivität charakteristisch sei: im Inland, meist mit KZ-Haft verbunden, in der Emigration, im spanischen Bürgerkrieg oder bei den Partisanen. Dagegen hätten die bundesdeutschen Dienste - also der Bundesnachrichtendienst (BND), der Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst in ihrer Gründergeneration nur einen einzigen ausgewiesenen Antifaschisten aufzuweisen, den ersten Präsidenten des Verfassungsschutzes, Dr. Otto John, Teilnehmer an der 20. Juli-Bewegung. Der Gründer und erste Präsident des BND, Nazigeneral Gehlen, aber habe über John gesagt: „Einmal Verräter - immer Verräter“. Unser Gespräch bekam angesichts solcher Fakten eine leicht gereizte Tönung, zumal ich ironisch bemerkte, das alte Personal sei auch kaum fähig gewesen, Antifaschismus „zu verordnen“. Die beiden Kriminalbeamten zogen sich daher aufs Theoretische zurück und begehrten, über „das Menschenbild des Sozialismus“ zu sprechen.

Ihr Bild von unserem Menschenbild war ein grob verzerrtes Bild aus „BILD“. Vor allem meinten sie, schon „von Marx her“ sei das Menschenbild des Sozialismus inhuman. Mit irgendwelchen Belegen aus der Kenntnis aus Marx' Publikationen konnten sie nicht dienen, freilich - und leider nicht abwegig - vor allem mit Beispielen stalinistischer Herrschaftspraxis, namentlich in der Sowjetunion. Solchenizyn war die einzig genannte originale Quelle. Unmut erregte schon, als ich den Gedanken äußerte, diese Beispiele würden, wiewohl meist zutreffend, nur zeigen, daß diese Herrschaftspraxis - wobei man deren historischen Kontext bitte nicht vernachlässigen dürfe - nicht von den Auffassungen Marx' oder auch Rosa Luxemburgs gedeckt seien. Wie würden sie mir erklären, daß in der Sowjetunion und z. T. auch in der DDR viele Kommunisten repressiert worden seien, die gleichwohl aber überzeugte Kommunisten geblieben seien? Ich nannte Beispiele.

Obwohl es prominente Namen waren, reichte die konkrete gesamtdeutsche Geschichtskenntnis nicht über das alte Verbreitungsgebiet von BILD hinaus. Lediglich Wolf Biermann wurde mir entgegengehalten. Das kam mir sehr zustatten: Wenn man, hielt ich dagegen, Wolf Biermann - egal ob von links oder rechts - nur als Klischee sähe, würde man doch ignorieren, daß auch er in seinem Kölner Konzert mit seinem Lied „So soll es sein - so wird es sein“ sich noch auf das originale sozialistische Menschenbild und auf Rosa Luxemburg bezogen habe.

Plauderton war es nun nicht mehr, es war schon ein heftiges Streitgespräch.

Ich entnahm meinem Bücherregal Stephan Hermlins „Abendlicht“ und zitierte Hermlins wunderschöne kritische Geschichte über verschiedene Rezeptionsarten des Kommunistischen Manifests. Meine Gesprächspartner wußten weder, wer Stephan Hermlin war, noch, welche Bedeutung sein „Abendlicht“ in der kritischen Selbstverständigung in der DDR besaß. Also las ich ihnen Hermlin über das Kommunistische Manifest:

„Unter den Sätzen, die für mich seit langem selbstverständlich geworden waren, befand sich einer, der folgendermaßen lautete: ,An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine neue Assoziation, worin die freie Entwicklung aller die Bedingung für die freie Entwicklung eines jeden ist.’

Ich weiß nicht, wann ich begonnen hatte, den Satz so zu lesen, wie er hier steht. Ich las ihn so, er lautete für mich so, weil er meinem damaligen Weltverständnis auf diese Weise entsprach. Wie groß war mein Erstaunen, ja mein Entsetzen, als ich nach vielen Jahren fand, daß der Satz in Wirklichkeit gerade das Gegenteil besagt: ,... worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

Mir war klar, daß ich auch hier gewissermaßen in einem Text einen anderen gelesen hatte, meine eigenen Vorstellungen, meine eigene Unreife; daß aber alles, was dort erlaubt, ja geboten sein konnte, weil das Wort auf andere Worte, auf Unausgesprochenes hinwies, hier absurd war, weil in meinem Kopf eine Erkenntnis, eine Prophetie auf dem Kopf stand. Dennoch mischte sich in mein Entsetzen Erleichterung. Plötzlich war eine Schrift vor meinen Augen erschienen, die ich lang erwartet, auf die ich gehofft hatte.“7

Für mich war und ist diese Geschichte Hermlins, die auch eine ans Herz rührende Verehrung Hermann Dunckers ausdrückt8, eine selten gelungene dialektische Darstellung dieses Konflikts zwischen humanistischem Entwurf und seiner - manchmal bis zur Unkenntlichkeit reichenden - Verzerrung unter dem Einfluß und unter dem Druck der Härte täglicher politischer Auseinandersetzungen um soziale Gerechtigkeit. Zumal wir es ja nicht mit einem so ganz und gar einmaligen Vorgang zu tun haben. Auch das humanistische christliche Menschenbild war und ist oftmals und bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, hat überlebt und sich immer wieder auf seinen ursprünglichen Kern besonnen.

Wahrscheinlich hatte ich die Illusion, meine Gesprächspartner würden durch Hermlins Klugheit angeregt, ihr „BILD“ über das sozialistische Menschenbild beiseite zu legen und einen nachdenklichen Entdeckungswillen empfinden. Wie aber waren meine Frau und ich erschrocken, als der ältere der beiden Ermittlungsbeamten nach Hermlins Text rot anlief, aufsprang und in höchster Erregung ausrief:

„Wenn ich wollte, könnte ich Sie an die Wand schießen!“

Plauderei und kultiviertes Streitgespräch hatten ihr Ende gefunden. Dem jüngeren Beamten war die Situation peinlich. Ich sagte, im Falle einer formellen Vernehmung würde ich darauf bestehen, daß dieser Satz ins Protokoll käme. Dann dachte ich aber daran, daß es nicht um meine Empfindlichkeit ging, sondern um einen Weg, meinen früheren Partner nicht Opfer eines blinden Verfolgungseifers und eines Justizirrtums werden zu lassen. Darum lenkte ich ein und sagte versöhnlich, offenbar sei keine Seite gegen verbale Exzesse gefeit.

Zum Bericht gehört ein wichtiger Nachtrag: Ohne irgend einen erkennbaren Anlaß bekam ich zweieinhalb Jahre später Post. Ein persönliches Schreiben des Kriminalhauptkommissars, der da die Beherrschung verloren hatte. Er habe, teilte er mit, „lange nachdenken“ müssen - er bitte um Entschuldigung. Gerne.



1 „Fremde Flagge" ist ein nachrichtendienstlicher Begriff. Er bezeichnet eine Werbemethode, bei der Geheimdienste nicht unter ihrer „eigenen Flagge", sondern unter einer anderen vorgeblichen Identität auftreten. Dies kann eine gedoubelte tatsächliche vorhandene Einrichtung sein (so bediente sich z. B. die CIA aus taktischen Gründen auch der Flagge des deutschen Bundesnachrichtendienstes) oder – so im berichteten Falle - eine fiktive Institution oder eine ähnliche Nachahmung.

2 §99(1) StGB BRD

3 Mein Partner wurde einige Tage nach den Gesprächen mit den Ermittlern aus Düsseldorf aus der Haft entlassen. Er war wegen Spionage nicht weiter zu beschuldigen und auch nicht anklagbar.

4 Später schrieben Bonner Zeitungen, der Beamte habe sich stets als meinen obersten Chef „ Otto Wolff von Amerongen, den bundesdeutschen Großindustriellen" vorgestellt, „und nicht Markus Wolf aus Ostberlin". Wolff von Amerongen war seinerzeit Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages.

5 Wolfs Buch war 1989 zeitgleich in der DDR und in der BRD veröffentlicht worden.

6 Ich hörte später, er habe sich deshalb versetzen lassen.

7 Stephan Hermlin: Abendlicht; Leipzig, 1979, S. 22

8 Hermann Duncker „gehört zu jenen nicht mehr Lebenden, die noch mit Tränen der Ergriffenheit in den Augen über marxistische Theorie sprachen."; ebenda, S. 22


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