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Die Aufklärung der Vorgänge um Noël Field –

ein abgeschlossenes Kapitel?

 Am 5.1.1993 erschien in „Neues Deutschland“ der aufschlußreiche Artikel „Es begann am Lagio Maggiore“ von Wolfgang Kießling. Er beantwortete eine Frage, die mich - ebenso wie viele andere Kommunisten und historisch Interessierte - seit Jahrzehnten sehr beschäftigte; die Frage nämlich, ob irgend etwas an den Vorwürfen dran sei, die Noël Field in Verbindung mit dem US-Geheimdienst des Allan Dulles brachten.

Bis dahin hatte sich Kießling immer um den Nachweis bemüht, daß die in den bekannten Nachkriegsprozessen - z. B. Rajk-Prozeß in Ungarn 1949, Slansky-Prozeß in der Tschechoslowakei 1952 - getroffenen Feststellungen zu Noël Field pure Erfindungen seien, fabriziert auf sowjetisches Geheiß, um die Stalinisierung der sozialistischen Staaten voranzutreiben und unliebsame Persönlichkeiten durch Schauprozesse auszuschalten. Diese Feststellungen besagten, daß Noël Field während des Zweiten Weltkrieges ein Vertrauensmann von Allan Dulles, dem Chef eines USA-Geheimdienstes, war und unter dem Vorwand, humanitäre Hilfe leisten zu wollen, Kontakte zu kommunistischen Emigranten herstellte, um auf diese Weise in der Nachkriegszeit in den kommunistischen und Arbeiterparteien und den von ihnen regierten Ländern über ein Netz von Leuten zu verfügen, die aus der Kriegszeit her ihm zu Dank verpflichtet und freundschaftlich gesinnt waren.

Nun aber teilte Kießling im oben genannten Artikel, wie auch später in seinem Buch „Partner im Narrenparadies“ ab Seite 227, mit, daß im Januar 1945 „...die von Field vermittelte partielle Zusammenarbeit deutscher Kommunisten mit Vertretern der Berner US-Mission bereits angelaufen war - auch mit dem von Allan Dulles geleiteten Nachrichtendienst, dem Office of Strategie Services (OSS), der damals bis April unter Mitwirkung von Erika Glaser rund 50 deutsche Genossen, zum Teil bewaffnet und mit Funkgerät ausgerüstet, aus Frankreich über die Schweiz nach Deutschland schleuste.“

Kießling bestätigte damit, daß Noël Field zum Chef des US-Geheimdienstes OSS Allan Dulles so vertrauensvolle Beziehungen hatte, daß dieser Leute, die ihm von Field zugeführt wurden, selbst wenn sie Kommunisten waren, mit Waffen und Funkgeräten ausrüstete.

Daran, daß Kommunisten während des Zweiten Weltkrieges im Kampf gegen Hitler sogar die Unterstützung des Geheimdienstes des US-Imperialismus annahmen, ist noch nichts Verurteilenswertes - immerhin waren die USA Bundesgenossen der Sowjetunion in der Anti-Hitlerkoalition.

Als jedoch nach dem Kriege die Rolle Allan Dulles’ - als feindseligster Antikommunist und Chef des geheimdienstlichen Kampfes des US-Imperialismus gegen die Sowjetunion sowie die kommunistischen und Arbeiterparteien - offen zutage lag, gewannen die zuvor von Noël Field vermittelten Kontakte zur Dulles-Organisation eine neue Bedeutung. Es war ganz normal, daß eine restlose Aufklärung angestrebt werden mußte - und zwar nicht nur zur Absicherung der Parteien gegen das Eindringen feindlicher Elemente, sondern nicht zuletzt im Interesse der betroffenen Funktionäre: um die Möglichkeit auszuschließen, daß sie erpreßt werden konnten mit der Drohung, ihre Verbindungen zum OSS aufzudecken. Das war der Hintergrund auch für die Befragung verschiedener Genossen der SED - darunter Franz Dahlems - durch die Zentrale Parteikontrollkommission und entsprechende Schlußfolgerungen, die im Rahmen dieses kurzen Beitrags nicht gewertet werden sollen.

Nach dem XX. Parteitag der KPdSU wurde jedoch von Chruschtschow1 kurzerhand erklärt, die Beschuldigungen hätten sich als falsch erwiesen, und er verlangte von den anderen Parteien, die zu „unrecht Beschuldigten“, also auch Noël Field, zu rehabilitieren. Seitdem wurde diese Version nicht nur von westlicher Seite - von der aus begreiflichen Gründen -, sondern auch in den europäischen sozialistischen Ländern offiziell als unstrittig behandelt, obwohl es genügend Tatsachen gibt, die daran begründet zweifeln lassen. Zu ihnen gehört auch der Erlebnisbericht des mir befreundeten, leider verstorbenen Widerstandskämpfers Hellmut Bock, den ich von ihm 1992 erhielt.

 

Ist es nicht sehr verständlich, daß die Forderungen Fields das Mißtrauen der Genossen des ZK erregten?

Von der Begegnung Field-Bock berichtete auch Kießling in seinem Buch (S. 130 ff.): Auf Anregung von Walter Bartel setzte sich Field mit Hellmut Bock in Verbindung. Kießling behauptete dann aber: „Ein Ergebnis der Begegnung Dahlems mit Field war zweifellos, daß zwischen Field und der VVN, vertreten durch Hellmut Bock, Spenden des USC vereinbart wurden.“ Wie aus dem Bericht Hellmut Bocks zu ersehen, ist es dazu aber eben nicht gekommen.

Für die Aufarbeitung der Geschichte der sozialistischen Länder wird man sich wohl doch die Mühe machen müssen, die seinerzeit veröffentlichten Prozeßprotokolle erneut zur Hand zu nehmen, um sie unvoreingenommen, aber mit dem Wissen um die tatsächlich vorhanden gewesene Verbindung Field-Dulles, zu studieren und den Inhalt auf seinen möglichen Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Kurt Gossweiler


1 Dessen „Rehabilitierungen“ ich skeptisch gegenüberstehe, da von ihm auch sich gegenseitig ausschlie­ßende Wertungen bekanntgeworden sind. So erklärte er im Jahre 1955 sämtliche vormals erhobenen Anschuldigungen gegen die Führer Jugoslawiens zum „Werk von Volksfeinden, niederträchtigen Agen­ten des Imperialismus“ wie Berija u. a., während er im Jahre 1958 mitteilte, daß die an der Kommuni­stischen Partei Jugoslawiens geübte Kritik in einer Reihe prinzipieller Fragen berechtigt gewesen sei. Nachzulesen in der Zeitschrift „Für dauerhaften Frieden und Volksdemokratie“ Nr. 21/1955 bzw. „Neues Deutschland“ v. 5.6.1958.


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