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Klaus Kögler

 „Oma, bei euch hört man das Meer rauschen!“

 Franziska, unsere fünfjährige Enkeltochter, war mit uns schon dreimal an der Ostsee, in Kühlungsborn, in Prerow und in Saßnitz.

Nun war Franziska mit Papa und Mama bei uns in Raguhn zu Besuch. Sie brachten aus Thüringen gute Rostbratwürste mit. Wir saßen in unserem Garten am Hause. Die Thüringer Rostbratwürste schmirgelten auf dem Holzkohlenrost.

Da sagte Franziska: „Oma, bei euch hört man das Meer rauschen!“

Oma mußte antworten: „Leider ist es nicht das Meer, Franziska, was wir da hören, sondern das ist das Rauschen der Reifen der vielen, vielen Autos auf der Bundesstraße 184!“

Zu Zeiten meiner Kindheit sagte man „Reichsstraße 184“; zu unseren DDR-Zeiten „Fernverkehrsstraße“ oder einfach „die 184“.

Das „Rauschen des Meeres“ hören wir bei uns in Raguhn in der Markeschen Siedlung, die einmal „Reichssiedlung“ hieß, in ständig zunehmendem Maße seit 1990.

Die Motoren der Trabis, Wartburgs und Barkasse usw. waren lauter als die Motoren der jetzt üblichen PKW und LKW, obgleich letztere viel schneller fahren. Ihre leiseren Motoren werden übertönt von dem permanent anschwellenden unangenehmen Rauschen (manchmal auch Quietschen) der vielen, vielen Reifen.

Schallwellen breiten sich zwar gesetzmäßig in alle Richtungen gleichermaßen aus, aber der Wind, ob stark oder schwach, beeinflußt die Ausbreitung. Starker Wind, gar Sturm übertönt das Reifenrauschen. Aber der fast ständig wehende leichte bis mäßige Westwind bringt das Rauschen der vielen, vielen schnellen Autos als übermäßig lästiges Geräusch nach Raguhn.

Es wird von entsprechenden Häuserwänden reflektiert und trifft dann verstärkt unsere Gehörorgane.

Aber damit nicht genug. Wie das Sprichwort „Ein Unglück kommt selten allein“ besagt, so kommt auch der lästige Lärm nicht allein!

Der leichte bis mäßige Wind bringt neben dem häßlichen Reifenrauschen auch massenhaft giftige Auspuffgase mit! Sie können verschieden riechen, stinken, brennen, kratzen - je nach Wetterlage, Lufttemperatur und Luftströmung. Meist stinken sie benzolähnlich, etwa so wie Gummilösung. Dann wieder mehr nach Dieselmief. Dieses Giftgas-Luft-Gemisch bewirkt bei den verschiedenen Menschen je nach Empfindlichkeit und Konstitution verschiedene Nebenwirkungen. Unmittelbar tödlich wirkt es natürlich nicht. Es sei denn, die Auspuffgase werden mittels Auspuffrohr direkt in den geschlossenen LKW geleitet, worin sich Menschen befinden - etwa Juden, Polen, Russen, wie zur Zeit des tausendjährigen Reiches praktiziert, oder aber unerwünschte „Wirtschaftsflüchtlinge“ und Asylsuchende aus fernen Ländern, wie es heute manchmal vorkommt.

Von der B 184 her stank es auch manchmal nach Gummi vom Abrieb der Reifen oder gar nach verbranntem Gummi. Vielleicht waren dann die direkten Abgase nach oben aufgestiegen.

Weg sind die Abgase dann noch lange nicht. Als saurer Regen kommen Schadstoffe über die Pflanzen- und Tierwelt und über die Menschen. Durch den wachsenden Kohlendioxydanteil der Luft drohen jetzt schon weltweit Klimaänderungen (die möglicherweise auch die Hochwasserschäden in Raguhn bewirkten!)

Der Westwind bringt uns mit dem Rausch- und Giftgasstrom der B 184 auch die Abgase und Reifengeräusche von der Autobahn A 9. Der „Luftweg“ zur B 184 beträgt etwa 400 Meter, der zur Autobahn etwa 1 000 Meter. So müssen wir an der Mehrzahl der Tage des Jahres den giftigen Abgasstrom vom wichtigsten Transportmittel, aber auch beliebtesten individuellen Spielzeug der zivilisierten Deutschen genießen. Im Sommer, wenn wir im Garten arbeiten oder uns ausruhen wollen, kommen zu den lästigen Gasen und Geräuschen der Autos auch noch die von Nachbarn ...

Verglichen mit dem Industriemief aus Bitterfeld-Wolfen in der vergangenen DDR-Zeit leidet Raguhn jetzt unter einem Vielfachen der damaligen Gesamtmenge. Damals wurden vom Obstbaumbestand lediglich die Birnbäume krank und gingen ein. Heute sind alle Obstbäume ausnahmslos betroffen. Auch die Weinreben, die zur DDR-Zeit meist Erträge brachten, werden vom Mehltau dezimiert. Bei Gurken und Tomaten, die früher prächtig gediehen, kam mir schon der Verdacht, das Saatgut sei mit Pilzkrankheiten absichtlich infiziert, damit wir genötigt sind, das Rollstuhlfahrer-Gemüse aus Holland zu kaufen. Deutschlandweit gibt es bei beiden Gemüsen trotz aller Mühen erhebliche Ertragsausfälle.

Wenn wir im Sommer bei offenem Fenster schlafen, kommt es öfter vor, daß, wenn man eben bei besserer Luft schlafen ging, man später von dem Geräuschpegel und Abgasmief erwacht und nicht wieder einschlafen kann.

Allerdings kommt bei Süd- und Südostwind wieder oder immer noch Industriemief aus Bitterfeld-Wolfen!

Darüber werde ich, wenn es die Pressefreiheit zuläßt, demnächst schreiben.

 

PS: Dieses Schreiben, dessen Aussage man als Kritischen Realismus bezeichnen kann, könnte ich durch Hinzufügen zweier weiterer Sätze in Sozialistischen Realismus wandeln:

Die kapitalistische Gesellschaftsordnung, deren Grundlage das Privateigentum an Produktionsmitteln ist, vermag aufgrund des dem System gemäßen Strebens konkurrierender Unternehmen nach Maximalprofit das Problem der letztendlich drohenden Vernichtung unseres Lebensraums nicht zu lösen. Deshalb müssen wir im ureigensten Interesse aller Menschen für die Zukunft fordern:

Enteignung des Privateigentums an Produktionsmitteln, Umwandlung in gesellschaftliches Eigentum!!


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