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Aber das war noch in der DDR 

Es war das Jahr 1967. Ich lebte mit meinen fünf Kindern in einer kleinen Neubauwohnung in Plänterwald, einem Stadtteil, der zum Stadtbezirk Berlin Treptow gehört, und hatte gerade eine gescheiterte Ehe hinter mir. Die großen Ferien hatten begonnen, und meine drei Mädchen waren im Ferienlager meines Betriebes. Betriebsferienlager gab es in der DDR in fast allen größeren Betrieben. Die Arbeiter und Angestellten konnten ihre Schulkinder für wenig Geld zu einem Durchgang - bei Bedürftigkeit auch zu zwei - während der Schulferien dorthin schicken. Das Ferienlager meines Betriebes war in der Nähe von Teschendorf, nicht weit von Berlin entfernt. Es lag idyllisch im Wald, und auch ein Badesee war in der Nähe.

Meine Großen freuten sich schon lange vorher auf diese drei Wochen. Denn in einer Familie mit mehreren Kindern, in der die Mutter voll berufstätig war, hatte jedes Kind schon seine Verpflichtung, so daß diese drei erlebnisreichen und sorglosen Wochen etwas Besonderes und Schönes für sie waren. Seitdem sie zur Schule gingen, konnten sie jedes Jahr in den Sommerferien dorthin fahren. Die drei Wochen kosteten mich damals für alle drei keine fünfzig Mark. Die Kinder hatten immer viel zu erzählen, wenn sie wieder nach Hause kamen.

Ich genoß die Ruhe und das Alleinsein und hatte es mir eines Abends bei klassischer Musik und einer Tasse Kaffee gemütlich gemacht. Meine beiden Jungen schliefen schon, als es klingelte. Es waren zwei Frauen, die sich als Mitarbeiter der Abteilung Jugendhilfe vorstellten. Sie baten mich, meine Wohnung besichtigen zu dürfen. Sie waren Mitglieder einer Kommission, die die Lebensverhältnisse kinderreicher Familien überprüfen sollte. Diese Kommissionen, in denen sich auch viele Bürger ehrenamtlich einsetzten, wurden nach einem Gesetz der Volkskammer gebildet. Zuvor hatte der VII. Parteitag der SED im April 1967 vorgeschlagen, den kinderreichen Familien mehr Unterstützung und Hilfe zu geben.

Nachdem der Besuch festgestellt hatte, daß meine vier- und fünfjährigen Jungen noch in Gitterbettchen schliefen, ich keinen Kühlschrank und keine Waschmaschine besaß, die Wäsche also noch mit der Hand waschen mußte, bekam ich Gutscheine.

 

 

Diese bedeuteten bares Geld, denn ich konnte sie in ausgewählten Geschäften für eine Waschmaschine, einen Kühlschrank, Doppelstockbetten, Bettwäsche für die Kinder, Handtücher und Sommerkleidung einlösen. Ich erhielt auch noch den Hinweis, im Oktober Gutscheine für die Winterbekleidung der Kinder zu beantragen.

 

Quelle: Bildarchiv d. Mark. Allgem.

Langeweile in den Schulferien unbekannt.

Polnische und deutsche Kinder im Ferienlager Prebelow

Ich selbst wäre nie auf den Gedanken gekommen, irgend etwas in dieser Art zu beantragen. Es war in der DDR schon so: Die staatlichen Stellen sorgten dafür, daß jeder Bürger zu seinem gesetzlichen Recht kam, besonders, wenn es um soziale Fragen ging.

Ein knappes Jahr später erhielt ich auch eine größere Wohnung. Für die knapp 100 Quadratmeter betrug die Miete 121 Mark. Ich bekam aber als kinderreiche Mutter 70 Prozent Mietermäßigung, so daß ich für diese geräumige Wohnung nur 36 Mark Miete aufbringen mußte. Um mir die große Wohnung einrichten zu können, konnte ich einen langfristigen Kredit beantragen, für den ich 3 Prozent Zinsen zahlte.

Nun hatte jedes Kind seinen eigenen Bereich für sich, wobei es die Verpflichtung hatte, diesen sauber und in Ordnung zu halten, was bei der Geräumigkeit um ein Vieles leichter war, als in der kleinen engen Wohnung. Unser Leben wurde insgesamt leichter. Ich konnte es an den schulischen Leistungen der Kinder bemerken. Auch bekam ich jetzt mehr Urlaub, der Sonnabend fiel als Arbeitstag weg und die Kinder waren weniger krank als früher. So verbrauchte ich meinen Urlaub nicht mehr voll für Kinderkrankheiten. Es waren eigentlich viele kleine Dinge, die meine finanzielle Situation verbesserten. Unter anderem bekamen meine Kinder Milch und das Essen in der Schule kostenlos, ohne daß ich diskriminierende Anträge stellen mußte. Auch für die Ausgestaltung der Jugendweihen meiner beiden großen Mädchen erhielt ich finanzielle Unterstützung.

Später, als die Jungen in dem Alter waren, in dem sie radfahren lernten, konnten wir für uns alle Fahrräder auf Kredit kaufen. Die Kinder erinnern sich heute noch gerne an unsere Radwanderungen.

Wie sehr meinen Kindern die Verbesserungen unserer Lebensbedingungen bewußt waren, erkannte ich, als Editha, meine Zweitälteste, in der achten Klasse war und als Thema für einen Schulaufsatz die Unterstützung für kinderreiche Familien wählte. Sie schrieb in ihrem Aufsatz u. a.: 

Anläßlich des 25. Jahrestages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands hat jeder Schüler unserer Klasse den Auftrag bekommen, einen Aufsatz zu schreiben. Ich habe mir das Thema: „Der VII. Parteitag beschließt ‚Mehr Hilfe und Unterstützung für kinderreiche Familien’“ ausgewählt.

Zur Zeit der Entstehung des Manifestes der Kommunistischen Partei wurde den Kommunisten vorgeworfen, daß sie die Familie aufheben und an Stelle der häuslichen die gesellschaftliche und politische Erziehung setzen wollten. Marx und Engels waren aber anderer Meinung, sie sagten, daß nicht die Kommunisten die Einwirkung der Gesellschaft auf die Erziehung erfunden haben, sondern daß sie nur ihren Charakter der Erziehung verändern wollten, indem sie die Erziehung dem Einfluß der Bourgeoisie entziehen werden.

Durch die sozialistische Erziehungsform der Kinder ergänzen sich Familien- und gesellschaftliche Erziehung, und es zeigt sich, daß gerade hier die wirkliche Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft eine große Rolle spielt.

 ...

 In unserer DDR wurde das Leben der kinderreichen Familien auf dem VII. Parteitag durch folgende Verbesserungen erleichtert:

Familien mit vier und mehr Kindern müssen bevorzugt mit Wohnraum versorgt werden. Bei entsprechend niedrigem Einkommen bekommen die kinderreichen Familien staatlichen Mietzuschuß. Das Kindergeld für das vierte Kind wurde von monatlich 40 auf 60 Mark und für das fünfte und jedes weitere Kind von monatlich 45 auf 70 Mark erhöht. Dieses Kindergeld wird bis zum Abschluß der allgemeinbildenden Schulen gezahlt. Wenn Kinder studieren, bekommen sie Stipendium. Diese Stipendien werden stärker davon abhängig gemacht, wieviel Kinder zu der Familie gehören und wieviel davon studieren. In der Schule bekommen die Kinder der kinderreichen Familien täglich einen viertel Liter Milch frei und eine freie Schulspeisung. Die kinderreichen Familien werden zur weiteren Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen für den Kauf langlebiger hochwertiger Industriewaren durch günstige Rückzahlungsbedingungen unterstützt.

Für diese Verbesserungen, die der VII. Parteitag beschloß, habe ich folgendes Beispiel:

Wir haben, bevor wir durch den Beschluß auf dem VII. Parteitag eine Vierzimmerwohnung bekommen haben, in einer Zweieinhalbzimmerwohnung gewohnt. Die Enge der Wohnung hat sich auf unsere Gesundheit und das Lernen in der Schule ausgewirkt. Seitdem wir eine größere Wohnung haben, ist das Leben besser geworden. Durch die Kreditbegünstigungen haben wir neue Möbel kaufen können.

In einem kapitalistischem Staat ist so etwas nicht möglich. Da die Familien mit mehreren Kindern zu wenig Geld haben, können sie keine größere Wohnung bekommen. Sie bekommen zwar auch Kredit, aber keiner fragt, wie viel sie verdienen und ob sie den Kredit auch bis zum Schluß bezahlen können. Viele Familien konnten das nicht und wurden ihre fast zu Ende bezahlten Möbel und Wohnungen wieder los.

 

...

 

Ich habe mir das Thema „Der VII. Parteitag beschließt ‚Mehr Hilfe und Unterstützung für kinderreiche Familien’“ gewählt, weil ich selbst zu einer kinderreichen Familie gehöre und ich dieses Problem so wichtig finde, da man in diesen von der SED auf dem VII. Parteitag vorgeschlagenen und später von der Volkskammer zum Gesetz erhobenen Maßnahmen die Liebe unseres Staates zu uns Kindern so deutlich erkennen kann.

 

Die staatliche Hilfe bekam ich bis zur wirtschaftlichen Selbständigkeit meiner beiden Ältesten, und das waren noch einige Jahre. Als meine Kinder heirateten, hatten sie es wesentlich leichter als unsere Generation. Sie bekamen einen zinslosen Eheschließungskredit von 5.000 Mark. Bei der Geburt eines Kindes wurden ihnen von diesem Kredit jeweils 1.000 Mark erlassen. Aber das war noch in der DDR.

Eva Schmidt 


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