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Reden und Flugblätter nicht ernstgenommen

(Wolfen)

 

Von 1948 bis 1951 war ich in der Filmfabrik Wolfen tätig. Dort bestimmten noch alte Doktoren der ehemaligen IG Farben. Sie waren eingefleischte Anhänger des Kapitalismus. Die fortschrittlichen Kräfte hatten es schwer, dagegen anzukommen. Aber bis auf wenige Ausnahmen setzten sich diese Herren bald in die Westzonen ab.

Im Jahr 1953 gehörte ich dem Betriebsschutz der Farbenfabrik Wolfen an, die ebenfalls Eigentum des IG Farbenkonzerns gewesen war. Ich kann bestätigen, daß vom Tag X lange vorher, und verstärkt unmittelbar vor dem 17.6.1953, gesprochen wurde. Arbeiter und Angestellte sagten zu mir: „Ihr bleibt nicht mehr lange am Ruder." Außerdem gingen besonders viele Ballons mit Flugblättern über Wolfen herunter. In ihnen waren eindeutige Streikaufrufe enthalten. Soweit ich mich erinnere, stammten die meisten vom Ostbüro der SPD. Doch weder wir noch unsere Führungsorgane nahmen diese Anzeichen ernst.

Im Verlauf der Ereignisse stellte sich als besonderer Schwerpunkt die Werkstatt 5 heraus, welche ich am 18. oder 19. Juni gemeinsam mit einem sowjetischen Offizier besuchte. Ich konnte etwas übersetzen, und wir sagten den Streikenden, sie sollten die Arbeit aufnehmen oder das Werk verlassen. Nach dem 20.6.1953 wurde dort wieder gearbeitet. Später wurden neben mehreren Funktionären der SED, des FDGB usw. auch die Leiter sowie Politstellvertreter des VPKA und unserer Dienststelle abgelöst.

Für den Raum Bitterfeld-Wolfen ist mir kein Schußwaffeneinsatz unserer Sicherheitsorgane oder der Sowjetarmee bekannt. Dagegen mißhandelten Demonstranten jeden, der sich ihnen entgegenstellte. Funktionäre wurden verprügelt, bespuckt und anderes mehr. Auf einer Tagung der Polizeibehörde in Halle schilderte der Leiter der Kripo Bitterfeld, wie er mit einem Strick um den Hals im Demonstrationszug mitgeschleift und stark mißhandelt wurde.

Walter Metzner 


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