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Arbeiterwort

(Lauchhammer)

 

Mein inzwischen verstorbener Mann war damals Direktor des Projektierungs-, Konstruktions- und Montagebüros (PKM) und unter anderem für die Braunkohlen-Großkokerei Lauchhammer verantwortlich. Anfang Juni 1953 erfuhr er, daß die zentralen Beschlüsse zur Normenfrage auch in diesem Betrieb Unruhe ausgelöst hatten. Man warnte ihn sogar vor einem Besuch, da gegen ihn bereits massive Drohungen laut geworden seien. Als er losfuhr, verabschiedete er sich von mir mit den Worten: „Ob wir uns wiedersehen, weiß ich nicht." Aber er kam glückstrahlend nach Hause. Er hatte seinen Arbeitsdirektor mitgenommen und gemeinsam mit ihm den Hintergrund der zentralen Maßnahmen offenbar derart überzeugend erläutert, daß die Arbeiter diese anerkannten. Sie erklärten, wenn mit ihnen vorher so gesprochen worden wäre, hätte es überhaupt keine Unruhe gegeben.

Nachdem die Regierung kurze Zeit später einen Rückzieher in der Normenfrage machte, sollte mein Mann dies entgegen seiner Überzeugung in Lauchhammer verkünden. Er fuhr widerstrebend hin - und erlebte die Überraschung seines Lebens. Denn die Arbeiter weigerten sich, zu den alten Normen zurückzukehren. Er habe sie von der Richtigkeit der Maßnahmen überzeugt, sie hätten ihm ihr Wort gegeben, und es sei gegen ihre Arbeiterehre, dieses zu brechen.

Als mein Mann mir das berichtete, hatte er Tränen in den Augen.

Margarethe Neumann 


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