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Schichtaufnahme
(Altenburg, Zeitz, Gera)
Am Morgen des 17. Juni 1953 mußte ich in die Tbc-Heilstätte Ernsee bei Gera zur Schichtaufnahme der Lunge fahren, weil die Tbc-Beratungsstelle Altenburg den entsprechenden Apparat damals noch nicht besaß. Einige Tage zuvor war bei der jährlichen Kontrolluntersuchung Tuberkulose festgestellt worden, und ich hatte sofort den Schuldienst aufgeben müssen.
Auf dem Weg zum Altenburger Bahnhof bemerkte ich nichts Außergewöhnliches. Wie an jedem Tag verkehrten eine Menge Busse, mit denen die Arbeiter in alle Brikettfabriken und Tagebaue der Umgebung gebracht wurden. Im meinem Zug befanden sich außerdem viele Werktätige, die nach Zeitz zur Arbeit wollten. Dort war auch während des Umsteigens alles wie an jedem anderen Tag, ebenso auf dem Hauptbahnhof in Gera. Hier mußte ich ein ganzes Stück durch die Stadt und dann einen langen Waldweg bis nach Ernsee zu Fuß gehen. Es war alles ruhig und friedlich. Als ich mich danach in der Heilstätte meldete, schlugen Ärzte und Schwester die Hände über dem Kopf zusammen und fragten, wie ich mich hierher getraut und was ich unterwegs gehört und gesehen hätte. Ich konnte diese Aufregung überhaupt nicht verstehen, und auch auf dem Heimweg fiel mir nichts Besonderes auf.
Später erzählte mir jemand aus der Werkleitung der Brikettfabrik „Gertrud" in Zechau, daß man die Brikettfabriken an diesem Tag von einer Stelle aus angerufen hatte. Dabei wurde jedesmal behauptet, die Arbeiter einer anderen Fabrik oder eines Tagebaus würden streiken, obwohl es gar nicht stimmte. Als man den Anrufer entdeckt hatte, war Ruhe. Danach schaltete sich die Kreisleitung der SED ein und schlug allen Betrieben die Durchführung von Belegschaftsversammlungen vor. Auch diese verliefen ganz normal.
Also: im Braunkohlengebiet Altenburg-Borna gab es meines Wissens weder nennenswerte Unruhen noch Revolten.
Erna Himmer
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